Unterschiede von Gutachten und Abnahmeformen

Ob Ford Cougar Bodykits, Spoiler, Blechteile wie Schweller oder Armaturenbrett & Co. - das ist der richtige Fleck.
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RedCougar
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Was ist ein Materialgutachten, was ein Teilegutachten, was heißt Abnahme nach § 19.3 etc. etc.

Da es immer wieder Fragen und Unklarheiten gibt, was mit welchem Gutachten möglich ist bzw. mit welchen Gutachten man welche Abnahmeverfahren durchläuft, habe ich hier eine kleine Zusammenstellung verfasst:

1. Rechtliches
einfache Montageabnahme: Abnahmen nach § 19 (3) StVZO sind Abnahmen, bei denen man ein gültiges Teilegutachten oder ein Teil mit einer EG-BE oder ABE mit Auflage zur Abnahme hat.
Einzelabnahme: Abnahmen nach § 19 (2) i.V.m § 21 StVZO werden nötig, wenn für ein Teil eine Abnahmepflicht besteht, aber kein TGA vorliegt. Auch wenn sich verschiedene Abnahmen beeinflussen - z.b. Fahrwerk und Reifen - kann solch eine Abnahme nötig werden. Diese Art greift immer dann, wenn Eintrag nach § 19 (3) StVZO nicht möglich ist.


2. ABG (Allgemeine Bauartgenehmigung)
Die ABG gibt es meistens für Tönungsfolien. Im Gegensatz zur ABE ist sie nicht auf bestimmte Fahrzeug(typen) bezogen, sondern eine universelle Freigabe für eine Verwendung in einem in den Auflagen beschriebenen Bereich. Im Beispiel von Tönungsfolien: Diese sind im Bereich der hinteren Seitenscheiben und der Heckscheibe in sämtlichen KFZ's freigegeben. Je nach ABG kann es in diesem Beispiel noch weitere Auflagen geben.


3. ABE (Allgemeine Betriebserlaubnis)
Die Teile sind fahrzeugspezifisch fertig vom TÜV geprüft, betriebsfertig und eine Eintragung in die Fahrzeugpapiere ist nicht mehr notwendig. Lediglich die ABE muss im Original mitgeführt werden und gegebenenfalls bei der nächsten Hauptuntersuchung vorgelegt werden. Für Bodykits ist eine ABE nicht gebräuchlich, sondern eher für Seitenblinker, Scheinwerfermasken, Pedale, Kleinteile etc., wo keine größeren Montagen notwendig sind.
Wichtig: ABE´s gelten immer nur für den relevanten Serienzustand des Wagens. Beispiel: Man hat eine Tieferlegung verbaut und möchte neue Felgen. Die neuen Felgen haben eine ABE. Eigentlich wären die Felgen abnahmefrei, aber trotz der Felgen-ABE muss eine Begutachtung durch den TÜV zu erfolgen, da die Felgen nur in Verbindung mit dem Serienfahrwerk die ABE erhalten haben.


4. E-Zulassung
Die Teile sind fahrzeug- und verwendungsspezifisch fertig geprüft, betriebsfertig und eine Eintragung in die Fahrzeugpapiere ist nicht mehr notwendig.
Wichtig: Zu jeder E-Nummer gehört eine Auflistung mit freigegebenen Fahrzeugen. Bei Teilen die in kein anderes KFZ passen (z.b. Scheinwerfer, Rücklichter) bekommt man idr. keine Liste mit und benötigt diese auch nicht zum Nachweis. Bei Teilen die an mehrere Autotypen passen, muss ein Nachweis für die Freigabe des betreffenden Fahrzeugs vorhanden sein. Eine Mitführung ist jedoch keine Pflicht.

Hinweis: Bei Xenon-Nachrüstsätzen z. B. wird oft damit geworben, dass die Teile eine E-Zulassung (E-Nummer) besitzen und somit eintragungsfrei und zulässig sind. Das ist insoweit korrekt, dass nur der Xenonbrenner oder das Vorschaltgerät eine E-Zulassung besitzt. Allerdings darf dieser aber trotzdem nicht in eine bestehende Leuchteneinheit mit eigener E-Zulassung verbaut werden. Die Leuchteneinheit würde ihre eigene E-Zulassung dann verlieren.


5. Teilegutachten
Es ist ein Gutachten über Materialbeschaffenheit, Bruchverhalten, Verkehrssicherheit und noch ein paar Kleinigkeiten gefertigt worden. Dieses Gutachten ist bei den meisten in D erhältlichen Bodykits, Spoilern, Felgen oder sonstigen Anbauten mit Montageaufwand dabei. Der TÜV muss dann lediglich noch die Übereinstimmung des verbauten Kits mit dem Gutachten feststellen und die richtige Montage nach § 19.3 (einfache Montageabnahme) abnehmen. Danach müssen die in der Abnahmebescheinigung genannten Teile beim Straßenverkehrsamt in Fahrzeugpapiere eingetragen werden. Dies muss je nach Text in der Abnahmebescheinigung sofort passieren oder man kann sich Zeit lassen, bis sich sowieso wieder mit den Fahrzeugpapieren beschäftigt wird (z. B. Adressänderung). Bis zur Korrektur der Fahrzeugpapiere ist die Abnahmebescheinigung des TÜV´s jedoch stets im Original mitzuführen und auf Verlangen vorzuzeigen.
Diese ganze Prozedur erfolgt meist problemlos und ist relativ kostengünstig im Gegensatz zum nächsten Gutachtentyp ...

Kosten
Je nach abnehmender Stelle (TÜV, GTÜ, DEKRA) belaufen sich die Kosten für eine Montageabnahme nach § 19.3 (also mit Teilegutachten) auf ca. 40 € pro Teil. Dazu kommen eventuell noch die Gebühren für die Korrektur der Fahrzeugpapiere beim Straßenverkehrsamt in Höhe von ca. 11,50 €


6. Materialgutachten
Hierbei existiert lediglich ein Gutachten über das Material, dass bei der Fertigung eines Bodykits verwendet. Weitergehende sicherheitstechnische Untersuchungen bzw. Begutachtungen wie z. Bruchverhalten, Geschwindigkeitstest etc. wurden nicht gemacht. Dies betrifft meist ausländische Bodykits (wenn überhaupt), Kleinserien oder Billigteile, da die Anfertigung weitergehender Gutachten eine aufwendige und teure Angelegenheit ist. Mit einem Materialgutachten ist IMMER eine Sonderabnahme / Einzelabnahme nach § 19 (2) i.V.m § 21 notwendig. Die Einzelabnahme kann auch verweigert werden und ist zudem recht teuer. Wenn die Einzelabnahme erfolgreich war, ist eine Eintragung der entsprechenden Teile in die Fahrzeugpapiere immer notwendig. Die Korrektur der Fahrzeugpapiere hat in Normalfall umgehend zu erfolgen.

Kosten
Bei einer Einzelabnahme nach § 19 (2) i.V.m § 21 sind die Kosten unvorhersehbar. Diese werden mit einer Grundgebühr von ca. 50 € belegt. Hinzu kommt der Zeitaufwand des Prüfers mit einem Stundensatz von ca. 60 € und Kosten für Unterlagenbeschaffung, Messgerätekosten, Streckenmietkosten etc. Daher bitte bei einer Anschaffung irgendwelcher Teile mit Materialgutachten, vorher mit der örtlichen Prüfstelle alles abklären !!!

Hinweis: Nach einem Urteil des Oberlandesgericht Düsseldorf (AZ. 20 U 175/04) dürfen Autozubehörteile nicht mehr mit dem Hinweis "mit Materialgutachten" angeboten werden. Lt. dem Urteil ist der Begriff irreführend, da er beim Kunden den eindruck erweckt, es handle sich um ein "Teilegutachten", welches für den Erhalt der Betriebserlaubnis erforderlich ist. Materialgutachten sind jedoch keine "Teilegutachten" im Sinne der StVZO, sondern für Hersteller von Autoteilen bestimmt und für einen Käufer ohne wesentliche Bedeutung. Um solche Missverständnisse künftig auszuschließen, muss laut Urteil nun bei der Bewerbung von Autoteilen grundsätzlich auf die Formulierung "mit Materialgutachten" verzichtet werden.


7. keinerlei Gutachten
Es gibt gar keine schriftlichen Unterlagen zu dem Teil. Hier gilt analog das Gleiche, wie bei einem Materialgutachten, einschl. der Kosten


8. TÜV-Gutachten
Dieser Begriff ist verwirrend und besagt eigentlich nichts. Ein TÜV-Gutachten kann sowohl ein Teilegutachten als auch ein Materialgutachten sein - beide werden in der Regel vom TÜV ausgestellt. Es könnte auch eine Begutachtung meines Arbeitsstuhles sein, da der TÜV nicht nur Bodykit´s etc. prüft.

Sollte jemand Teile anbieten mit dem Begriff TÜV-Gutachten bitte dringend hinterfragen, welches der beiden oben genannten Gutachten damit gemeint ist ... meistens stellt sich heraus, dass damit ein Materialgutachten gemeint ist und dem Käufer nur suggeriert werden soll, es würde sich um ein Teilegutachten handeln.



Nachtrag: Diese Zustammenstellung habe ich nach bestem Wissen und Gewissen gefertig, auf dem Stand der geltenden Gesetze und Verordnungen von 06/2010. Eine Gewähr für die Richtigkeit kann ich jedoch nicht übernehmen.
Bitte stellt eure Fragen zu technischen Problemen im Forum und nicht per PN. Danke!
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